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09.05.2011

US-Präsident über Bin-Laden-Einsatz

Obamas kühnste Wette

Erstmals hat sich US-Präsident Barack Obama ausführlich zum Einsatz gegen Osama Bin Laden geäußert. In einem TV-Interview offenbarte er, wie riskant die Kommandoaktion wirklich war: "Die Chancen standen 55 zu 45."

Seit dem Tod Osama Bin Ladens sind schon viele dramatische Details des Einsatzes ans Licht gekommen. Die Navy-Seals-Teams hatten wochenlang trainiert. Ihre Helikopter waren wohl Tarnkappen-Versionen. Der Terrorchef, CIA-Codename "Geronimo", fand sich in seinem Schlafzimmer, nebst Frau und Kindern.

Doch erst jetzt, eine Woche später, hat US-Präsident Barack Obama das wohl größte Geheimnis gelüftet: Die Operation war weitaus riskanter und nervenaufreibender für alle Beteiligten als bisher angenommen - und stand offenbar bis zuletzt buchstäblich auf der Kippe.

"Letztendlich war es eine Situation, bei der die Chancen nur 55 zu 45 standen", sagt Obama am Sonntagabend in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender CBS. Er selbst sei sehr nervös gewesen: "Es waren die längsten 40 Minuten meines Lebens."

Es ist das erste und einzige Interview, das Obama zur Ausschaltung Bin Ladens gibt - zu jenem Ereignis, das seine Amtszeit auf immer geprägt hat. Knapp eine halbe Stunde dauert das am Mittwoch aufgezeichnete Gespräch mit CBS-Korrespondent Steve Kroft im Weißen Haus. Das Network walzt das dann auf eine ganze, elegische Sonntags-Sendestunde aus - präsidiale Propaganda vom Allerfeinsten.

Und damit findet Obamas Triumphwoche ihr perfekt inszeniertes Finale. Sein spektakulärer Spätabendauftritt am vorigen Sonntag, der Besuch an Ground Zero am Donnerstag, das Glückwunschtreffen mit den Navy Seals tags darauf in Kentucky: Das Weiße Haus hat diese historische Gelegenheit zu nutzen verstanden.

Zum Abschluss sitzt Obama im Ledersessel vor dem Kamin, die Beine lässig übereinander, die Hände im Schoss. Interviewer Kroft verhehlt nicht, auf wessen Seite er steht: "Das Letzte, was Bin Laden sah", tönt er in seiner Anmoderation, "war ein Navy Seal."

Nach einer Woche lancierter Informationen, missverständlicher Informationen und oft korrigierter Informationen nimmt Obama das Heft in die Hand. Er gibt sich ruhig, bedächtig, souverän. Seine Worte sollen den Ton setzen für den nächsten "news cycle" - und, so hofft er, auch für sein Kapitel in den Geschichtsbüchern.

Der Einsatzbefehl für die Nacht-und-Nebel-Aktion, sagt er also, sei eine der "schwersten Entscheidungen" seines Lebens gewesen. "Die Indizien, die wir hatten, waren nicht völlig schlüssig." Die ganze Operation sei mit "enormem Risiko" behaftet gewesen. Doch die "potentiellen Vorteile" hätten überwogen.

Obama vermutet massive Unterstützung aus Pakistan

Erstmals erfahren die Amerikaner damit aus erster Hand, wie die Aktion im pakistanischen Abbottabad ablief. Schon kurz nach seinem Amtsantritt habe er den damals neuen CIA-Chef Leon Panetta im Oval Office beiseite genommen, berichtet Obama. "Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, Bin Laden zur Strecke zu bringen", habe er ihn angewiesen.

Der Plan konkretisierte sich jedoch erst im August vergangenen Jahres, als die CIA die Spur von Arshad Khan, einem Boten Bin Ladens, bis nach Abbottabad verfolgen konnte. "Die intensive Planung begann erst Anfang dieses Jahres", bestätigt Obama im Lauf der Woche bekannt gewordene Informationen.

Es habe daraufhin etliche Treffen im Lageraum des Weißen Hauses gegeben. Er selbst, sagt Obama, habe sich dabei persönlich engagiert. Das Gelände um das Anwesen, auf dem Bin Laden vermutet worden sei, sei mit Landkarten erfasst und als Modell rekonstruiert worden.

Sie seien überrascht gewesen, so Obama, dass Bin Laden bereits seit fünf oder sechs Jahren in dem Anwesen gelebt habe, ohne jeden Hinweis und vor aller Augen. "Wir glauben, dass es ein Netzwerk an Unterstützern in Pakistan für Bin Laden gegeben haben muss", fügt er hinzu - ein wohl bedachter Satz, der dann auch sofort Schlagzeilen macht: US-Druck auf Pakistan.

Abwägung zwischen Heli-Einsatz und Bombardierung

Am Ende wurden nach Obamas Angaben mehrere verschiedene Einsatzoptionen erwogen. Die Navy Seals per Hubschrauber einzufliegen, habe zwar "größere Risiken" gehabt als andere Varianten - womit Obama offenbar auf eine breitere Bombardierung anspielte. Er habe sich aber zu dem Risiko entschlossen, um "Kollateralschäden" zu vermeiden. Sprich: unnötige zivile Todesopfer.

Trotzdem seien die Gefahren enorm gewesen. Niemand habe gewusst, was sich wirklich hinter den Mauern des Bin-Laden-Anwesens verborgen habe, sagt Obama. So hätte es Sprengfallen geben können, ausgelöst zum Beispiel durch das simple Öffnen einer Tür.

Auch habe bis zuletzt Unklarheit geherrscht, ob Osama Bin Laden wirklich in der Villa gewesen sei - Unklarheit mit potentiell dramatischen "geopolitischen" Folgen. "Wir dringen da in das souveräne Territorium eines anderen Landes ein", gibt Obama zu. "Stellt sich heraus, dass es ein reicher Prinz aus Dubai ist, der in dem Anwesen ist, und wir haben Spezialeinheiten eingesetzt - dann haben wir Probleme."

Geheimhaltung der Aktion als größter Erfolg

Obama offenbart, dass sogar innerhalb seines eigenen Teams Differenzen über das Vorgehen geherrscht hätten. "Die Tatsache, dass es einige gegeben hat, die Zweifel an diesem Ansatz geäußert haben, war unschätzbar wertvoll", sagt er. Das habe den Plan erst so richtig präzise gemacht.

Grünes Licht habe er dann am Donnerstag vorher gegeben, bestätigt Obama. Doch habe er selbst die meisten seiner engsten Berater sowie seine Familie im Dunkeln gelassen - auch wenn er sich oft gewünscht habe, seine Sorgen mit jemandem teilen zu können. "Einer der großen Erfolge dieses Einsatzes war es, dass wir dieses Ding geheimhalten konnten."






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