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Blick auf leere Kassen

11.05.2011

Blick auf leere Kassen

Neue Milliardenschätzung

Schäubles trügerisches Steuerwunder

136 Milliarden Euro: So viel mehr wird der Staat in den kommenden Jahren wohl einnehmen. Klingt phantastisch - doch es ist vor allem ein gefühltes Plus. Für Steuersenkungen ist kein Geld da, denn Deutschland lebt immer noch auf Pump, und im Haushalt lauern gigantische Risiken.

Hamburg - Der Betrag wirkt wirtschaftswundersam: Bis 2014 soll der Staat 136 Milliarden Euro mehr einnehmen als im vergangenen Jahr gedacht. Dieses gigantische Plus werden die Steuerschätzer wohl am Donnerstagmittag verkünden. Bereits vorab ist die Zahl durchgesickert.

Die "Mehr netto"-Jünger träumen nun wieder von Steuersenkungen. Doch bei nüchterner Betrachtung gibt es nur theoretische Spielräume für einen Geldsegen. Das hat zunächst einmal mit dem grundsätzlichen Problem der Steuerschätzung zu tun. Die Experten schöpfen aus einem schier unendlichen Datensatz, haben sehr viel Erfahrung - und müssen doch Annahmen treffen. So stehen am Ende ihrer Beratungen zwar stets präzise Zahlen. Diese sind aber nur scheingenau. Bei fast jeder neuen Schätzung korrigieren die Rechenkünstler ihre vorherigen Angaben.

Sollte sich die Konjunktur in den kommenden Jahren nicht so gut entwickeln wie in der allgemeinen Euphorie unterstellt, wird aus dem Mehr an Steuern ganz schnell wieder ein Weniger. Für die 136 Milliarden Euro lässt sich also sagen: Kann so kommen, muss aber nicht.

Und selbst wenn der Staat die prognostizierten Milliarden einnehmen sollte - Spielraum für Entlastungen gibt es nicht. Die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen wären auch dann noch lange nicht in Ordnung. Eher gilt: Sie wären in einem weniger desaströsen Zustand als befürchtet. 

Das zeigt sich besonders gut am Bundeshaushalt: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kann bis 2014 mit Mehreinnahmen von rund 70 Milliarden Euro rechnen. In diesem und im kommenden Jahr dürfte er jeweils 13 Milliarden Euro zusätzlich kassieren, 2013 schon 21 Milliarden Euro und 2014 sogar noch etwas mehr. Er hat dann mit etwas Glück den Betrag mehr in der Kasse, den eine ambitionierte Steuerreform ihn kostet.

Allerdings müsste der Finanzminister die Einlösung des FDP-Wahlversprechens komplett auf Pump finanzieren. Im Haushalt tut sich noch immer ein gigantisches Loch auf. Rund jeder zehnte Euro ist nur geliehen.

Ursprünglich wollte Schäuble zwischen 2011 und 2014 fast 145 Milliarden Euro neue Schulden machen. Würde er die 70 Zusatzmilliarden komplett in die Reduzierung der Kreditaufnahme stecken, blieben in diesem und in den kommenden drei Jahren noch immer 75 Milliarden Euro neue Schulden. Das gigantische Steuerplus reichte also gerade einmal aus, den Bedarf an neuen Krediten zu halbieren.

Die guten Zahlen der Steuerschätzer führen auch deshalb nicht zu kollektivem Jubel im Finanzministerium, weil die Beamten dort schon länger mit höheren Einnahmen kalkulieren. Im März verabschiedete die schwarz-gelbe Koalition eine aktualisierte Finanzplanung für die kommenden Jahre. Diese berücksichtigt den Wirtschaftsaufschwung bereits - und geht bis 2014 von einem Steuerplus für den Bund in Höhe von 50 Milliarden Euro aus. Bis auf ein paar lausige Euro will die Koalition damit die Neuverschuldung reduzieren.

Hohe Risiken im Haushalt

Der am Donnerstag wahrscheinlich verkündete 70-Milliarden-Euro-Geldsegen für den Finanzminister ist also größtenteils ein gefühltes Plus. Die echten Mehreinnahmen liegen für Schäuble bei gerade einmal 20 Milliarden Euro.

Aber kann die Regierung diese nicht wenigstens für eine Entlastung der Bürger nutzen? Theoretisch ja, praktisch nein.

Der üppige Betrag gilt für den Zeitraum bis 2014. Pro Jahr sind das gerade einmal fünf Milliarden Euro. Die Risiken im Haushalt sind dagegen so groß, dass das Geld schneller ausgegeben sein könnte, als es in die Kassen geflossen ist.

Im sogenannten Sparpaket der Regierung befindet sich 2014 auch der Posten "Globale Minderausgabe". Für diese 5,6 Milliarden Euro hat sich die Koalition noch gar keine Gedanken gemacht.

Außerdem könnten Union und FDP Opfer ihrer eigenen Haushaltstricks werden. Eigentlich sind im Etat für die kommenden Jahre hohe Einnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit eingeplant. Diese bekommt vom Bund derzeit Darlehen, die sie später zurückzahlen muss. Verleiht der Finanzminister angesichts der guten wirtschaftlichen Lage nun allerdings weniger Geld, bekommt er auch nicht so viel zurück wie gedacht.

Angesichts dieser unzähligen Risiken und der Tatsache, dass der Bund noch immer Lichtjahre von einem ausgeglichenen Haushalt entfernt ist, wird Finanzminister Schäuble in den kommenden Tagen versuchen, so zu tun, als hätte es die Steuerschätzung nie gegeben. Und insgeheim wird er froh sein, wenn er bei all den Problemen nicht doch noch die eine oder andere Steuer erhöhen muss.





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